
Fernglas
Journalist und Kolumnist Bernd Loose richtet sein ganz persönliches "Fernglas" auf den FC Energie, die Liga und alles was den Fußball betrifft. Nahezu wöchentlich gibt es hier eine neue Ausgabe für Euch zum Lesen.
Den Bann gebrochen
... oder: „Ede’s Fluch“ und die magische 50
Es mag einem vorkommen wie das Aufwachen aus einem schönen Traum: das eigene Team spielt Woche für Woche nicht nur ansehnlichen Fußball, sondern auch erfolgreich, gepaart mit einer fast schmerzhaften Effizienz, die kein anderes Team der 3. Liga aufzuweisen hat. Elf Spieltage dauerte die Sause ohne Pause und ohne Niederlage. Ich gebe zu, ab und an bin ich ein Fußballromantiker. Nach dem Spiel gegen Verl (die letzte Begegnung in "Energie’s Eleven") fragte ich meinen Freund und stellvertretenden Verwaltungsratsvorsitzenden Matthias Rudolf, völlig besoffen und happy über den surrealen Tabellenstand (Energie Tabellenführer mit drei Punkten vor Dresden und sieben [!] Zähler vor den drittplatzierten Saarbrückern), überströmt von Endorphinen und sonstigen Hormonen, die Gänsehaut und Glücksgefühle erzeugen, fragte ihn also, ohne einen Funken Überheblichkeit zu spüren: „Wer glaubst du, kann uns eigentlich noch schlagen? Mir fällt da derzeit (Stand Mitte Februar) keine Mannschaft ein.“ Matthias fielen dann schon noch zwei, drei Teams ein, die dem FC Energie gefährlich werden könnten. Ja, dachte ich mir, könnten. Konjunktiv der reinsten Sorte. Wie gesagt, alles unter dem Einfluss von: siehe oben.
Die darauf folgenden Spiele, bis auf die unnötig verlorene Partie in Saarbrücken, konnten ausnahmslos gegen Mannschaften aus dem unteren Tabellendrittel nicht gewonnen werden. Wie konnte das sein, fragte und fragt sich der rot-weiße Fanboy an der Tastatur. Unser geliebter Cheftrainer Claus-Dieter Wollitz (der derzeit vehement an seinem Denkmal im Elias-Park arbeitet), hatte auf alles eine Antwort, eine Erklärung für das Durchhängen seiner Schützlinge parat. Und doch, wer genau hinschaute und -hörte, konnte bei allen Versuchen, die entstandene Ergebniskrise nicht großzureden, zwischen den Zeilen einen Hauch Ratlosigkeit in Peles Ausführungen erkennen. Natürlich geht es dann auch darum, „den Bock umzustoßen“ oder „alles auf die Platte“ zu bringen, oder einfach „immer alles raushauen“. Klar. Alles eine Frage – der Einstellung? Nein, nein, so heißt das heute nicht mehr. Mentalität? Nein, völlig aus der Mode gekommen. Es geht um Selbstverständnis und Intensität. Und Basics. Das war’s?
Nein, nicht ganz. Es geht auch um Kontinuität. Die du nur haben kannst, wenn du mit allem Drumherum im Reinen bist. Das gilt für die Jungs ebenso wie für den Trainer und den Staff. Und da waren doch einige unterschwellige Kräfte am Werke im Februar, die schon, ohne es zu merken, etwas mit einem machen können. Da war zum Beispiel Peles Anzahl an Pflichtspielen, mit der er gegen Verl beim 1:0 Eduard Geyer vom Rekordsockel schubste. Um danach einen ganzen Monat kein Spiel mehr zu gewinnen. Alles Zufall? Natürlich! Aber was für einer! Oder die Sache mit der magischen 50-Punkte-Marke. Nach dem Spiel gegen Verl dauerte es fünf Spiele, bis der FC Energie nun endlich am vergangenen Sonntag die ominöse Hürde überspringen konnte und die Punkte 50 bis 52 eintütete. Ähnlich kurios in der Spielzeit 2014/15, also vor zehn Jahren, als Energie fünf Spiele benötigte, um am 34. Spieltag nach einem 2:0 gegen die Stuttgarter Kickers ebenfalls 52 Punkte in der Tabelle stehen zu haben. Zufall? Na sicher! Aber schon bemerkenswert, oder?
Und noch ein Aspekt, der vielleicht etwas mit Tiefenpsychologie zu tun haben könnte. Die längst überfälligen Signale der Stadt Cottbus und des Landes Brandenburg (plus die großzügige Unterstützung aus dem Umfeld des FC Energie) zur Verbesserung der Situation und Erfüllung diverser Anforderungen rund um die Lizenzierung zur 2. Bundesliga kamen auch zu dem Zeitpunkt, als die Sieglosserie ihren Lauf nahm. Die feierliche Verkündung hat mich so gefreut, ich hatte einen Kloß im Hals und feuchte Augen. Und ich spürte etwas, was für einen Sportler nicht immer gut sein muss: die Erwartung, nun das Unding, die Sensation, das Historische auch schaffen zu können müssen. Ja, können müssen. Klingt komisch, aber das waren meine Empfindungen. Ich möchte das jetzt hier nicht zu hoch hängen. „Der Bock“ wurde ja in Sandhausen mit Glück und Geschick „umgestoßen“. Und für die drei härtesten Mitbewerber wachsen die Bäume auch nicht in den Himmel. Drei Euro ins Phrasenschwein.
So, jetzt drehe ich mich wieder um, kuschele mich in meine rot-weißen Kissen und hoffe auf einen schönen Traum, der nach der Länderspielpause dann hoffentlich neun Spieltage dauert und mit dem „Großen Ziel“ sein würdiges Finale findet.
- Bernd Loose -