01.03.2021 15:00 | Neues Präsidium zieht erste Bilanz

„Notwendige Maßnahmen“

Im Dezember des vergangenen Jahres hat sich die personelle Zusammensetzung der Vereinsgremien des FC Energie Cottbus verändert. Angetreten, um den Verein kurzfristig zu stabilisieren und langfristig solide aufzustellen, wird es nach genau elf Wochen in neuer Zusammensetzung Zeit für eine erste Bilanz. Präsident Sebastian Lemke, Vizepräsident Hagen Ridzkowski und Präsidiumsmitglied Ralf Lempke geben im exklusiven Interview Auskunft.

Seit dem 14. Dezember 2020 sind nun genau elf Wochen vergangen. Gerne würden wir mit einer rückblickenden Analyse der Situation des Vereins beginnen wollen. Wie würden Sie den Sachstand beschreiben?

Wir haben uns intensiv und gründlich mit allen Vorgängen, die den Verein und insbesondere die finanziellen Dinge betreffen, beschäftigt. Das war in enger Zusammenarbeit mit dem Verwaltungsrat sehr viel Arbeit, die schlichtweg notwendig war, um einen konkreten Überblick zu bekommen, an welchen Stellen wir ansetzen müssen. Eines wurde sehr schnell deutlich: eine große Diskrepanz zwischen Einnahmen und Ausgaben belasten unseren Verein schwer. Das hat natürlich auch mit der „Covid19-Pandemie“ und fehlenden Zuschauereinnahmen zu tun, aber keineswegs ist das ausschließlich die Ursache.

Können Sie das konkretisieren?

Gerne. Es fing bereits damit an, dass die Etatplanung für die Saison 2020/2021 unter den Umständen der weiterhin anhaltenden Pandemie-Lage samt Beschränkungen so nicht haltbar gewesen ist. Der Etat war schlichtweg nicht gedeckt! Zudem fiel er in Gänze letztlich sogar höher aus als in der Saison 2019/2020. Fernab von sportlichen Zielen, dem eigenen Anspruch des Vereins und der Strukturen, ist es rückwirkend betrachtet nicht nachzuvollziehen, dass dieser Etat im Verlaufe der Spielzeit, trotz einer siebenstelligen Finanzlücke, im Juli und im September sogar noch zwei Mal erhöht wurde.

Der wirtschaftliche Schaden, den die Situation rund um Corona mit sich brachte wurde durch Sie kürzlich auf etwa 1,5 Millionen Euro beziffert. Hilfe von politischer Seite gab es dafür bereits. Ist dahingehend aktuell Weiteres möglich? 

Das hoffen wir sehr und haben diesbezüglich bereits positive Signale vernehmen dürfen. Seriös planen können wir allerdings nur mit dem Geld, was wir wirklich sicher haben. Wir möchten an dieser Stelle natürlich verdeutlichen, dass für die Pandemie niemand etwas kann. Das hat uns alle unerwartet getroffen, auch die zeitliche Ausdehnung und Entwicklung war so nicht absehbar. Dennoch hätte man im Sommer anders reagieren und vor allem deutlicher werden müssen, um die finanziellen Folgen für den Verein darzustellen. Die möglichen Hilfen wurden beantragt und mit großartiger Unterstützung des Landessportbundes Brandenburg sowie dem Ministerium für Bildung, Jugend und Sport sind im Kalenderjahr 2020 zwei Chargen im sechsstelligen Bereich geflossen, womit einige Defizite ausgeglichen werden konnten. Zuletzt im Dezember. Und dennoch ist bereits wieder ein hohes sechsstelliges Defizit aufgelaufen, dafür benötigen wir auch in diesem Jahr Hilfe.

Ausschließlich auf Hilfe hoffen kann sicher nicht der Weg sein. Welche internen und extern Maßnahmen haben Sie ergriffen, um Dinge zu verändern?

So ist es. Kurz gesagt müssen wir die Ausgaben drastisch senken und schauen, wie wir Einnahmen generieren können. Letzteres ist unter den aktuellen Bedingungen natürlich alles andere als einfach. Es ist jetzt nicht so, als dass uns das Ganze Freude bereiten würde, aber wir haben den „Rotstift“ drastisch ansetzen und notwendige Maßnahmen ergreifen müssen. Das bedeutet letztlich, dass wir die Strukturen im Verein den finanziellen Möglichkeiten und der Ligazugehörigkeit anpassen, um eine Erfolgssanierung zu erreichen.

Was bedeutet das im Einzelnen? Welche Veränderung haben Sie bereits vorgenommen?

Dass wir die Mitarbeiter*innen der Geschäftsstelle sowie Mannschaft, Trainer und Funktionsteam seit Dezember 2020 wieder unter Kurzarbeit beschäftigen ist bekannt und eine enorm wichtige Maßnahme. Natürlich möchten wir als Verein grundsätzlich, dass der Ball rollt und Fußball gespielt wird. Dennoch ist es faktisch so, dass uns jeder Tag in Kurzarbeit auch ein stückweit hilft, die Verluste zu minimieren. Das ist nunmal die Wahrheit. Es gab einige Sponsorenverträge für die laufende Saison, die aus verschiedenen Gründen noch nicht unterzeichnet waren, da haben wir viele Gespräche geführt und Unterschriften nachgeholt. Mit Lieferanten und Partnern haben wir gesprochen und für beide Seiten annehmbare Vereinbarungen getroffen – auch da haben wir viel positives Feedback und Verständnis für unsere Lage erfahren. Dafür sind wir sehr dankbar. Sämtliche weiteren vertraglichen Vereinbarungen mit Externen haben wir auf ihre Notwendigkeit hin untersucht und diese nach Möglichkeit gekündigt. Die personelle Struktur in der Geschäftsstelle hat sich zum Ende des Februars verändert.

Was bedeutet das für die Mitarbeiter*innen der Geschäftsstelle?

Wir haben zum 28. Februar 2021 die Anzahl der Mitarbeiter*innen der Geschäftsstelle reduziert. Im Nachgang unserer allumfassenden Analyse war es unabdingbar, dass wir auch in diesem Bereich schnellstmöglich große Einsparungen vornehmen müssen. Das war unabwendbar. Wichtig war es uns, dass wir für alle betreffenden Personen sozialverträgliche Lösungen finden und auch gefunden haben. Künftig gilt es den Spagat zwischen Anspruch und finanzieller Wirklichkeit zu schaffen, denn auch wir mussten feststellen, dass die Arbeitsumfänge in einem Verein wie dem FC Energie enorm sind und vielfach unterschätzt werden.

Wird sich das auf für Mitglieder und Fans gewohnte Standards auswirken? 

Definitiv. Die personelle Verschlankung in der Administrative des Vereins wird zwangsläufig dazu führen, dass auch die treuen Energiefans einige Veränderungen wahrnehmen werden und künftig viel Verständnis aufbringen müssen. Insbesondere in den Servicebereichen, dem Ticketing, der medialen Präsenz sowie der Erreichbarkeit müssen fortan große Abstriche gemacht werden. Wie bereits vorhin erwähnt, mussten die bisherigen professionellen Standards den aktuellen finanziellen Möglichkeiten und auch der Ligazugehörigkeit angeglichen werden. Das bedeutet aber auch, dass wir uns dynamisch anpassen, um auf mögliche Veränderungen reagieren zu können.

Was verbirgt sich dahinter und wie wurden diese Schritte in der Geschäftsstelle aufgenommen? Wie soll es künftig funktionieren?

Die Mitarbeiter*innen haben uns gegenüber in den Gesprächen großes Verständnis für die Situation entgegengebracht. Sie wissen, wie sich die Lage für den Club darstellt und dass gewisse Schritte notwendig sind. Das hat auch vieles einfacher gemacht und wir sind wirklich froh, dass wir zum Teil auch in Zukunft auf die Dienste dieser Leute setzen können - freiwillig, im Ehrenamt und mit großem Herz für unseren FC Energie. Das ist keine Selbstverständlichkeit!

Eine immer wieder gestellte Frage bezieht sich auf unser „Wohnzimmer“ - das Stadion der Freundschaft – wie ist dort der aktuelle Stand?

Dieses Thema ist in unserer Prioritätenliste ganz weit oben und Teil unseres Vorhabens einer nachhaltig erfolgreichen Sanierung. Es ist schließlich kein Geheimnis, dass diese Immobilie unseren Club wirtschaftlich extrem belastet. Was in der Zeit des damaligen Erwerbs und einer Zugehörigkeit zur 2. Bundesliga wirtschaftlich absolut vernünftig war, ist heute unter Regionalligabedingungen, aber auch in der 3. Liga, langfristig nicht zu stemmen. Wir haben in der neuen Zusammensetzung des Präsidiums erste Gespräche mit der Stadt Cottbus und auch auf Landesebene geführt. Man kann an dieser Stelle sicher erwähnen, dass wir diesbezüglich verhalten optimistisch sind, aber Konkretes gibt es zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu vermelden.

Zuletzt haben zum wiederholten Male die Mitglieder, Fans und auch Sponsoren im Rahmen einer Spendenaktion anlässlich des 55-jährigen Vereinsgeburtstages gespendet. Final abgerechnet sind dabei fast 70.000 Euro für den Bau im Lokstadion zusammengekommen. Wie bewerten Sie das?

Ganz ehrlich? Diese Resonanz hat uns im Präsidium ein wenig sprachlos gemacht, weil wir es in diesem Umfang nicht erwartet haben. Wir sind keineswegs blauäugig und sind uns sehr wohl bewusst, was unsere treuen Anhänger in den zurückliegenden Jahren geleistet haben. Sie haben Tickets für ein fiktives Spiel erworben, Antikörper gekauft, auf Rückerstattungen von Dauerkarten verzichtet, deren neue erworben und gespendet. Einfach sensationell! Diese unentwegte Bereitschaft etwas zu geben ist ein Ausdruck größter Vereinsliebe und eines Zusammengehörigkeitsgefühls. In Ergänzung mit den durch uns intern getroffenen Maßnahmen, die wir auch klar als „vor der eigenen Haustür kehren“ beschreiben möchten, ist das, was das #WIR unseres FC Energie bedeutet. Auch Gremienmitglieder sind zur Sicherung der Liquidität eingesprungen. Alles und Jeder wird dem Ziel untergeordnet, als Teil des großen Ganzen und so sehen wir uns in der Verantwortung für unseren Verein. Hierbei möchten wir uns insbesondere auch bei den Mitgliedern des Verwaltungsrates bedanken, die mit uns diesen Weg gehen und sich in unseren gemeinsamen Sitzungen ideenreich und konstruktiv einbringen. All das zusammen sind unfassbar wichtige Bausteine und dafür sind wir mehr als dankbar.

Dieser Rückhalt ist doch sicher auch als eine Art „Faustpfand“ anzusehen, oder?

Absolut. Wir haben mehrfach betont, dass wir ehrlich und transparent mit den anstehenden Vorgängen umgehen. Es wäre falsch, wenn wir nicht auch offen sagen würden, dass es ähnliche Dinge auch in Zukunft geben kann, möglicherweise auch geben muss, um ein weiteres „Puzzleteil“ zu sein. Im Moment beschäftigen wir uns mit der Planung, um auch für die kommende Spielzeit 2021/2022 Dauerkarten anzubieten. Einnahmen aus Dauerkartenverkäufen würden uns eine gewisse Planungssicherheit für den Etat verschaffen.

Wie gestaltet sich diese Etatplanung für die kommende Spielzeit unter den kaum absehbaren Umständen der „Covid19-Pandemie“ aktuell?

Schwierig, keine Frage. Es ist kaum verwunderlich, dass sich Gespräche mit Sponsoren für die kommende Saison nicht ganz einfach gestalten, da schließlich alle mit den Auswirkungen der Pandemie zu kämpfen haben. Zudem findet seit Monaten kein Fußball mit dem FC Energie statt und zu Saisonbeginn stellte sich die sportliche Situation anders dar als erhofft. Das sind alles Faktoren, die zu berechtigten Fragen unserer Partner führen. Dennoch sind es in der Vielzahl sehr gute Gespräche, in denen wir die Situation so darlegen, wie sie ist und den Willen spüren mit uns gemeinsam anzupacken. Wir möchten die regionale Wirtschaft wieder enger an unseren Club binden und so in der Stadt und Umgebung wieder größere Einigkeit, Zusammenhalt und Identifikation mit dem FCE erreichen. Das bedeutet auch, dass aus eingerissenen Mauern wieder Brücken entstehen sollen und wir intensiv Akquise betreiben.

Damit wurde die wirtschaftliche Seite betrachtet, die zwangsläufig auch Auswirkung auf die Planung in Sachen Mannschaft hat. Wie sehen die Perspektiven im sportlichen Bereich aus?

Dass sich das Gesicht der Mannschaft verändern wird, wurde schon kolportiert. Es laufen Verträge aus und möglicherweise kann es im Sommer Angebote für vertragliche gebundene Spieler geben. Wenn dem so ist,  dann werden wir uns diese Dinge anhören und Entscheidungen treffen. Wir setzen, bedingt durch die grundsätzliche Situation aller Vereine auch auf eine zu erwartende Entwicklung des Spieler-Marktes, die auch Chancen und Möglichkeiten bieten wird. Unser Cheftrainer Dirk Lottner hat da klare Vorstellungen für das Team, die wir versuchen mit ihm gemeinsam umzusetzen. Dass wir zusätzliche sportliche Kompetenz in den Verein holen möchten, das steht auf der Agenda und ist notwendig. In diesem Bereich wurden ebenfalls viele Gespräche geführt und möglicherweise könnte sich da auch zeitnah etwas ergeben, aber das sind Dinge, über die wir erst konkreter sprechen werden, wenn sie auch fix sind.

Werden demnach auch Gespräche mit den Spielern geführt?

Ja natürlich, das ist ein fortlaufender Prozess. Perspektiven und Möglichkeiten möchten schließlich nicht nur die Vereine haben, sondern auch die Fußballer.

Stichwort Perspektive: Abgesehen von den Planungen für die kommende Spielzeit, stellt sich immer noch die Frage, wie und ob es in dieser Saison weitergeht. Wie ist hier die Lage aus Ihrer Sicht einzuschätzen?

Mit den nun aufgetretenen positiven Corona-Tests hat sich die Lage dahingehend akut verändert. Alle Spieler, Trainer und das Funktionsteam befinden sich bis zum 11. März in Quarantäne und der Trainingsbetrieb ist ausgesetzt. Grundsätzlich bleibt weiterhin abzuwarten, denn die Verordnungslage in Berlin lässt einen Spielbetrieb der Regionalliga Nordost im Moment nicht zu. Dass unsere Jungs Fußballspielen wollen, darüber haben wir gesprochen und das ist aus sportlicher Sicht mehr als nachvollziehbar. Nach wochenlanger Pause im Heimtraining hatten wir in enger Absprache mit den Jungs und Dirk Lottner das Training wieder aufgenommen. Das war ein erster guter Schritt, denn man sollte nicht außer Acht lassen, dass unsere Jungs Berufsfußballer sind. Sich nur zu Hause fit zu halten und kein Training absolvieren zu können, das bedeutet Stillstand und keine Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln. Aus wirtschaftlicher Sicht bleibt es trotzdem so, dass ein Spielbetrieb ohne Zuschauer für uns faktisch nicht darstellbar ist. In unserem Stadion liegt der Punkt, ab dem sich der Spielbetrieb finanziell überhaupt erst lohnt, bei 2.500 Zuschauern. Alles, was zahlenmäßig darunter liegt, ist ein Minusgeschäft, das wir uns nicht leisten können.

Gibt es abschließend noch etwas, das Sie den Energiefans noch mit auf den Weg geben möchten?

Sehr gerne. Allen voran möchten wir uns dafür bedanken, dass wir in den zurückliegenden Wochen viel Verständnis, Zuspruch und Rückhalt erfahren haben, so dass wir in Ruhe arbeiten und Dinge verändern konnten. Manches geht einfach nicht von jetzt auf gleich. Dafür bedarf es Geduld und diese Geduld ist spürbar. Für dieses Vertrauen, für all die Hilfe und zuletzt auch das viele gespendete Geld möchten wir uns recht herzlich bedanken.


Euer Präsidium des FC Energie Cottbus e.V.